Auf Entdeckungsreise – Stendal, Rathenow, Tangermünde

Von Hamburg einfach die Elbe hinunter. Es sind nur 235 km bis nach Tangermünde. Mit dem Paddelboot braucht man eine Woche, nimmt man das Motorboot, nur etwa 15 Stunden. Wir fahren 2,5 Stunden mit der Bahn. So gesehen ist es eine angenehme Reise. Unsere Bahn war sogar pünktlich.

So schön ist es, Bahn zu fahren, wenn sie pünktlich kommt, und wir auch noch abgeholt werden von unserer wunderbaren Gastgeberin Petra Hoffmann. Auf geht’s nach Stendal. Wir besuchen ein ehemaliges Kaufhaus von Alfred Conitzer, das Epege in Stendal, und hören dem Glockenspiel zu. Direkt gegenüber des Kaufhauses essen wir ein Sandwich. Die Kinder sind erstmal zufrieden.

Weiter geht es nach Rathenow. Neben uns fliegen die Felder vorbei, die Auen der Elbe. Wir fahren weiter und staunen uns zurück in das Jahr 2013. „Hier war das Hochwasser der Elbe. Alles voll.“ Zehn Minuten Autofahrt und tausend Geschichten später: „Hier stand auch noch das Wasser“. Wir: große Augen. Zwanzig Minuten später hörte das Hochwasser auf und wenig später sind wir in Rathenow.

Eine zerstörte Stadt. Es warten auf uns drei nette Menschen mit vielen Informationen: unter anderem die Historikerin Bettina L. Götze  und Architekt Wolfram Bleis. Sie zeigen uns Rathenow – oder besser, was davon übrig geblieben ist. Es ist leider sehr wenig. Ein paar alte Häuser. Hier eine Sparkasse. Dort ein Eckhaus. Es war einmal eine schöne Stadt an der Havel. Jetzt ist es nur noch eine Stadt. Das Schöne ist leider verschwunden in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges. Auch das alte Kaufhaus von M. Conitzer & Söhne, in dem Gerhard Conitzer seine letzte Stelle in Deutschland hatte, stand hier: Berliner Straße, Ecke Fehrbelliner Straße. In dieser Stadt ist er verhaftet worden. Wir verlassen den Ort und fahren nach Tangermünde. Aber wir kommen wieder, hier gibt es noch etwas zu erzählen vom Kaufhaus M. Conitzer & Söhne.

 


Lange Strasse

 

Eine halbe Stunde später sind wir in einer anderen Welt: dem Mittelalter. Was für eine Pracht, was für eine Freude, diese Stadt zu entdecken. Ein Fluss, eine Burg, Kopfsteinpflaster, wohin man blickt, und auch noch jede Menge Fachwerkhäuser. Es ist ein Traum. Nur, wir sind keine Touristen, wir haben eine Aufgabe und der Zeitplan ist straff. Erstmal Kaffee trinken. Die Kinder sind wieder zufrieden.

Am nächsten Tag dürfen wir auf den Turm und Tangermünde von oben sehen. Wir fühlen uns ganz kurz wie Touristen. Laufen durch die Stadt, besuchen den jüdischen Friedhof und schließlich sind wir Gäste bei der Verlegung der Stolpersteine. Was für eine außergewöhnliche Veranstaltung! Es sind schöne, wertvolle Begegnungen in dieser alten Stadt. Kurz denke ich daran, wie sich Arthur oder Gertrud Conitzer gefühlt haben, als sie das erste Mal durch das Stadttor gingen und sich der Vorhang auf die Lange Straße öffnete. Ich bin mir sicher, ihnen wird das Herz aufgegangen sein – so wie uns. Sie sind einfach hier geblieben und haben ihr Kaufhaus eröffnet.

 

Stolpersteine

 

Wir stehen vor dem Neubau aus dem Jahr 1932. Der Bürgermeister hält eine Rede. Er macht das gut. Es ist eine würdige Feier. Meiner Frau kommen die Tränen, als die Stolpersteine in den Boden gesenkt werden. Ihre Rede kommt aus dem Herzen, und ihre Verwandten schauen bestimmt von irgendwo zu, und ich bin mir sicher, sie hätten sich gefreut über unseren Besuch bei ihnen im schönen Tangermünde, wo ihr wunderbares, modernes Kaufhaus steht.

Ich kann diese Stadt allen empfehlen. Kommt alle her nach Tangermünde in die Lange Straße 41. Gegenüber gibt es einen Glühwein bei Oma Schönwald. Es ist so schön hier, wir würden gerne länger bleiben und Touristen sein. Leider müssen wir los und zurück in die Bahn – da werden die Kinder zufrieden sein. Es ist warm und der Empfang ihrer Handys ist gut. Wir denken an die Conitzers: Arthur, Gertrud und ihre Kinder Ursula und Ruth. Stolz waren sie auf ihr Kaufhaus, und sicherlich sind sie mit sehr schwerem Herzen gegangen.

Zum Schluss möchte ich Petra Hoffmann für ihre Gastfreundschaft danken und darauf hinweisen, dass sie ihre Ergebnisse der Forschung zur Stolpersteinverlegung in einem Buch zusammengefasst hat. Wir haben eines. Noch mehr hat Petra Hoffmann und wir bringen euch zusammen, wenn es Interesse gibt.

Buch von Petra Hoffmann über die Familie Arthur Conitzer

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