Max Emden und die Isole di Brissago

Wie kam der „Hamburger Jung“ Max Emden an den Lago Maggiore?

Diese Frage stellen sich wohl viele Hamburger, wenn sie – so wie wir heute – die Isole di Brissago betreten, den botanischen Garten bewundern und im Restaurant der Villa Emden Gnocchi mit Hirschragout genießen. Wir sitzen auf der Terrasse, geschützt vor Wind und Regen. Vor uns liegt der See, dahinter Ascona. Die Gnocchi schmecken hervorragend – und der Blick macht sie noch besser.

Ab 1928 gehörte Max Emden diese Insel. Hier lebte und feierte er, hier trank er morgens seinen Kaffee auf der Terrasse. In dieser südlichsten Ecke der Schweiz brauchte er viel Geld für sein Leben. Max Emden hatte es: Er machte sein Vermögen mit Kaufhäusern in Hamburg, Budapest, München, Stockholm und Berlin – ein Teil des KaDeWe gehörte ihm. 1924 verkaufte er einen Teil seiner Beteiligungen an den Karstadt Konzern und zog wenige Jahre später an den Lago Maggiore, wo er nach seinem Motto lebte: „Auch das Leben ist eine Kunst.“ Dieser Satz steht noch heute in Stein gemeißelt über der Sonnenterrasse der Villa [5].

Ich bin auf Max Emden aufmerksam geworden, als ich vor unserem Urlaub nach jüdischen Kaufhausbesitzern recherchierte. Seine Geschichte fesselte mich sofort – nicht zuletzt, weil er wie ich aus Hamburg stammt und, ähnlich wie die Vorfahren meiner Frau (Familie Conitzer), aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie kam. 

Max Emden wurde jüdisch geboren und ließ sich nach dem Abitur christlich taufen. Unter den Nationalsozialisten war er trotzdem nicht arisch. Da beide Elternteile jüdisch waren, wurde er als Jude verfolgt; sein Besitz in Deutschland wurde enteignet oder unter Wert veräußert. Auf eine Wiedergutmachung wartet seine Familie bis heute [2]. War er unter den Nationalsozialisten nicht arisch genug, ist er später nicht jüdisch genug [1]. Sowieso lebte er in der Schweiz im Exil, 1934 erhielt er das Schweizer Bürgerrecht, dass ihn das nicht vor der Enteignung schützte, will heute niemand mehr wissen. Er selbst erlebte das Kriegsende nicht: 1940 starb er, an einer Herzkrankheit – oder an der Herzlosigkeit seiner Heimat. Vielleicht an beidem. Später musste sein Sohn, Hans Emden, aus Geldnot die Insel 1949 an den Kanton Tessin und die umliegenden Gemeinden unter Wert verkaufen. Er musste mit einem gekauften haitianischen Pass über Portugal nach Chile flüchten, weil seine Einbürgerung in die Schweiz abgelehnt wurde [4] und [5].

Im heutigen Hamburg erinnert kaum etwas an Max Emden. Eine Ausnahme ist ein kleiner Pfad, der vom Bahnhof Klein Flottbek zur Sportanlage des THCC Rot-Gelb führt – über das frühere Grundstück Emdens. Heute befindet sich dort der Botanische Garten Hamburg, und so schließt sich über die Botanik der Kreis von der Heimatstadt zu der Isole di Brissago.

Wenn sie in der Nähe sind, sollten sie die Insel unbedingt besuchen. Die Ruhe ist einzigartig. Die Welt scheint fern, der Blick ist überwältigend, und der botanische Garten überrascht täglich mit neuen Geheimnissen. Aber schauen Sie sich vorher den Film über Max Emden an [3]. Auf der Insel finden sich leider so gut wie keine Informationen zu dem tragischen Schicksal seines Vorbesitzers. 

Quellen:

  1. Ulrich Brömmling, Max Emden, Wallstein Verlag, 19.04.2023, ISBN 978-3-8353-3751-0
  2. Das Schicksal des Kaufhauskönigs Emden, Der Spiegel, Ulrike Knüfel, 20.09.2017 
  3. Auch Leben ist eine Kunst – Der Fall Max Emden, ARD Mediathek, 21.03.2024, Ein Film von Eva Gerberding und André Schäfer
  4. Kunstsammler Max Emden: Er führte ein mondänes Leben im Tessin – bis die Nazis kamen, SFR, 25.11.2020, Denise Chervet
  5. Geschichte der Brissago-Inseln: Für ihn war’s das Paradies, für die Schweiz ein Schnäppchen, SFR,  30.05.2022, Matthias Strasser

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